Creative Problem Solving (CPS)

📌 Allgemeine Hinweise

Creative Problem Solving (CPS) ist ein strukturiertes Denk- und Prozessmodell zur systematischen Erschließung neuer Ideen und umsetzbarer Lösungen. Es verbindet divergentes Denken (Ideengenerierung) mit konvergentem Denken (Bewertung, Auswahl, Umsetzung). Im Wissensmanagement dient CPS dazu, implizites und explizites Wissen zu nutzen, Lücken im organisationalen Wissen sichtbar zu machen und konkrete Lern- und Umsetzungsprozesse zu erzeugen.

Wichtig: CPS ist kein Zufallsverfahren — es braucht Moderation, Disziplin und dokumentierte Zwischenergebnisse, damit Wissen dauerhaft nutzbar bleibt.


🎯 Bestimmungsgemäße Verwendung

CPS wird verwendet, zur:

  • Lösung komplexer, nicht-trivialer Problemsituationen (Prozessverbesserung, Innovationsfragen, Change-Projekte).
  • Strukturierte Generierung von Ideen sowie deren Verfeinerung und Implementierungsplanung.
  • Transfer und Verankerung organisationalen Wissens durch kollaboratives Arbeiten, Dokumentation und Lessons Learned.
  • Aufbau von Communities of Practice, die Probleme in Fachbereichen systematisch bearbeiten.
  • Überwindung von Denkblokaden.

ℹ️ Hintergrundinformationen zu dem Werkzeug

CPS wurde von Alex F. Osborn und Sidney J. Parnes in den 1950er und 1960er Jahren entwickelt, um kreatives Denken in Gruppen und Organisationen methodisch zu fördern. Osborns ursprüngliches Brainstorming-Konzept wurde zu einem systematischen Problemlösungsansatz weiterentwickel.
Die Klassischen CPS-Phasen nach Osborn/Parnes sind:

  1. Explore the Challenge (Erkundund der Herausforderung)
    1. Mess-Finding (Situationsklärung: „What’s the mess?“)
    2. Fact-Finding (Informationssammlung)
    3. Problem-Finding (Präzise Formulierung der Kernfrage)
  2. Generate Ideas (Generieren von Ideen)
    1. Idea Finding (Ideengenerierung / Divergenzphase)
  3. Prepare for Action (Handlung vorbereiten)
    1. Solution Finding (Bewertung, Auslese, Verbesserung)
    2. Acceptance Finding (Implementations- und Akzeptanzplanung)

CPS trennt klar Divergenz (möglichst viele Ideen) und Konvergenz (Auswahl/Umsetzung) und fördert damit Wissensentdeckung und -speicherung.


🔁 Welche Werkzeuge alternativ verwendet werden können

  • Design Thinking (nutzerzentriert, prototypenfokussiert)
  • Lean Startup / Build-Measure-Learn (schnelle Experimente)
  • TRIZ (systematische Innovationsmethodik)
  • Six Sigma / DMAIC (prozessverbessend, datenzentriert)
  • Problemlösungsmethoden wie A3, Root-Cause Analysis

🔧 Welche anderen Werkzeuge unterstützen können

  • Wissensdatenbanken / Wikis (z. B. Confluence, MS SharePoint): Ergebnisdokumentation, Lessons Learned.
  • Collaboration-Tools (z. B. Miro, MURAL, Teams, Confluence): für Remote-Workshops.
  • Methoden-Kits: Brainwriting, SCAMPER, Morphologischer Kasten, Mindmapping.
  • Interview- und Beobachtungsleitfäden (für Fact-Finding).
  • Prototyping-Werkzeuge und Low-Fidelity-Materialien für Implementierungstests.

👥 Benötigte Personen

  • Moderation / Facilitation: leitet Prozess, schützt Divergenzphase, dokumentiert Ergebnisse.
  • Fachbeteiligte / Stakeholder: Wissenseigner, Entscheider, Nutzer — 4–12 Personen ideal.
  • Dokumentation: Hält Zwischenstände, Ideen und Entscheidungen schriftlich fest.
  • Optional: Fachexperten für Fact-Finding, Implementierer für Acceptance-Finding.

⏱️ Dauer

  • Kurzworkshop (Problem-Finding + Idea-Finding): 2 Stunden bis 2 Tage (komprimiert).
  • Voller CPS-Zyklus inkl. Fact-Finding und Implementationsplanung: 1–6 Wochen (iterativ).
  • Für langfristige Implementierung und Wissensverankerung: mehrere Monate (inkl. Pilotversuche und Lessons Learned).

(Beispiel-Zeitplan: Fact-Finding 2–5 Tage; Problem-Finding 1 Tag; Idea-Finding 1–2 Tage; Solution-Finding 2–4 Tage; Acceptance-Finding 1–2 Tage + Umsetzungsphase/Pilot 2–8 Wochen.)


🗂️ Benötigtes Material

  • Physisch: Flipcharts, Moderationskarten, Sticker/Notizzettel, Stifte, Moderationsklebeband, Prototyp-Materialien.
  • Digital: Whiteboard-Tool (z. B. Miro), Dokumentenablage (Wiki / Confluence), Umfrage-Tools.
  • Templates: Fact-Finding Checklisten, Problem-Statement Vorlagen, Bewertungsmatrixen, Aktionspläne.

🧩 Gerätebeschreibung / Bauplan

Der CPS-Prozess besteht typischer Weise aus den folgenden Phasen

  1. Explore the Challenge (Erkundund der Herausforderung)
    1. Mess-Finding (Situationsklärung: „What’s the mess?“)
    2. Fact-Finding (Informationssammlung)
    3. Problem-Finding (Präzise Formulierung der Kernfrage)
  2. Generate Ideas (Generieren von Ideen)
    1. Idea Finding (Ideengenerierung / Divergenzphase)
  3. Prepare for Action (Handlung vorbereiten)
    1. Solution Finding (Bewertung, Auslese, Verbesserung)
    2. Acceptance Finding (Implementations- und Akzeptanzplanung)

🚀 Inbetriebnahme

  1. Problemdefinition (erste Formulierung): Grobe Beschreibung des „Mess“.
  2. Teamzusammenstellung: Stakeholder, Moderator, Dokumentation bestimmen.
  3. Ziele & Erfolgskriterien festlegen: Was ist ein Erfolg (KPIs, Zeitrahmen, Ressourceneinsatz)?
  4. Material & Raum bereitstellen: physisch oder virtuell.
  5. Kick-off: Erwartungen, Regeln (z. B. „keine Bewertung in Ideengenerierungsphase“) und Ablauf erklären.

⚙️ Bedienung — Detaillierter Ablauf pro Phase

1. Mess-/Clarify-Phase

  • Ziel: Kontext verstehen, Problemraum abstecken.
  • Techniken: Stakeholder-Interviews, Prozessmapping, Kundenfeedback-Analyse.
  • Ergebnis: Situationsreport, Scope-Definition.

2. Fact-Finding

  • Ziel: Relevante Daten, Ursachen, Sichtweisen sammeln.
  • Techniken: Dokumentenanalyse, Datenreports, Beobachtungen, Experteninterviews.
  • Ergebnis: Fact-Pack (Daten, Kennzahlen, Constraints).

3. Problem-Finding

  • Ziel: Ausgehend von Fakten klare Problemformulierung(en) erstellen.
  • Techniken: „How-Might-We“-Fragen, Reframing, 5-Why-Analyse.
  • Ergebnis: Priorisierte Problem-Statements, Messkriterien.

4. Idea-Finding (Divergente Phase)

  • Ziel: Viele, radikale wie konservative Ideen generieren.
  • Techniken: Brainstorming (Osborn-Regeln), Brainwriting, SCAMPER, Analogiebildung.
  • Ergebnis: Ideensammlung (quantitativ und qualitativ dokumentiert).

5. Solution-Finding (Konvergente Phase)

  • Ziel: Ideen bewerten, kombinieren, ausarbeiten.
  • Techniken: Bewertungsmatrixen (Impact/Effort), Pro/Contra, Prototyping-Skizzen, Business-Case-Elemente.
  • Ergebnis: Ausgewählte Lösungsansätze mit grobem Umsetzungsplan.

6. Acceptance-Finding / Implementationsplanung

  • Ziel: Akzeptanz sichern, konkrete Schritte festlegen.
  • Techniken: Stakeholder-Mapping, Kommunikationsplan, Pilot-Design, Risikoplan.
  • Ergebnis: Aktionsplan, Verantwortlichkeiten, Meilensteine, Monitoring-KPIs.

Jede Phase: Ergebnisse in Wissensplattform ablegen; Lessons Learned dokumentieren.


🔄️ Wartung & Pflege

  • Reviewzyklen: Nach Pilot/Implementierung: 1 Monat, 3 Monate, 6 Monate Reviews.
  • Wissenspflege: Outcome-Dokumente in Wiki → mit Schlagwörtern und Verantwortlichen versehen.
  • Kontinuierliches Lernen: Erkenntnisse in Trainings, Onboarding und SOPs integrieren.
  • Moderatoren-Rundlauf: Facilitator-Skills regelmäßig schulen; Methodenbibliothek aktualisieren.

🌟 Expertentipps

  • Trennen von Ideation und Auswahl: Trenne strikt Divergenz (Generieren) und Konvergenz (Bewerten). Setze sichtbare Regeln (z. B. „erst sammeln, dann kritisieren“).
  • Interdisziplinäre Teams: Fördere Diversität im Team (Funktionen, Erfahrungslevel) — mehr Wissensquellen = bessere Lösungen.
  • Dokumentation: Dokumentiere nicht nur Endentscheidungen, sondern Entscheidungsgründe („Warum wurde A statt B gewählt?“). Das erhöht Transferwert.
  • Rapid Prototyping: Nutze schnelle Prototypen und Experimente statt langwieriger Perfektion vor dem Testen.
  • KPIs nutzen: Messe den Erfolg über konkrete KM-Indikatoren. Reduzierte Suchzeiten, Anzahl dokumentierter Lösungen, Zeit bis Stabilität nach Implementierung.
  • Owner einsetzen: Jede Idee, die umgesetzt wird, braucht einen „Owner“ für Nachverfolgung.

📝 Beispiel

Kontext: Mittelständische Produktionsfirma hat hohe Fehlerquote bei einer Montagelinie.
Anwendung CPS:

  1. Mess-Finding: Rücksprache mit Linienpersonal, Kundenreklamationen analysiert.
  2. Fact-Finding: Fehlerdaten, Zykluszeiten, Schichtberichte gesammelt.
  3. Problem-Finding: „Wie reduzieren wir Ausschuss um 40% bei gleichbleibender Taktzeit?“
  4. Idea-Finding: Team generiert 70 Ideen (von Sensorik über Schulung bis Layoutänderung).
  5. Solution-Finding: 5 Ideen bewertet; Kombination aus standardisierten Checklisten + visueller Kontrolle + geringem Equipment-Upgrade als Pilot ausgewählt.
  6. Acceptance-Finding: Pilot in zwei Schichten, Trainingsplan, KPI-Dashboard, Verantwortlichkeiten festgelegt.

Ergebnis (nach 3 Monaten): Ausschuss ↓ 45%, Wissen über Fehlerursachen dokumentiert, SOPs und Onboarding-Module ergänzt.


⚖️ Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Creative Problem Solving und Design Thinking

Creative Problem Solving (CPS) und Design Thinking (DT) sind beides strukturierte Innovations- und Kreativitätsmethoden, die in vielen Punkten ähnlich, aber in Fokus und Anwendung unterschiedlich sind.

Gemeinsamkeiten

  • Beide Methoden trennen divergierendes und konvergierendes Denken strikt – erst werden viele Ideen gesammelt, dann gezielt ausgewählt und bewertet.​
  • Sie folgen einem iterativen und schrittweisen Vorgehen, bei dem Rücksprünge zu früheren Phasen erlaubt und gewünscht sind.​
  • Beide zielen auf kreative Problemlösung und Innovation ab und fördern interdisziplinäre Teamarbeit.​
  • Sowohl CPS als auch DT nutzen ähnliche Werkzeuge wie Brainstorming, Prototyping und Perspektivwechseltechniken.​

Unterschiede

AspektCreative Problem Solving (CPS)Design Thinking (DT)
FokusAuftraggeber- bzw. problemzentriert – sucht Lösungen für definierte Herausforderungen​Nutzer- bzw. menschenzentriert – stellt Bedürfnisse und Erfahrungen der Anwender in den Mittelpunkt​
UrsprungEntwickelt von Alex Osborn und Sidney Parnes zur Förderung allgemeiner KreativitätEntstand aus der Produktgestaltung und dem Industriedesign (z. B. IDEO, Stanford d.school)
ZielsetzungGenerisch verwendbar für jede Art von Problem – auch technische oder organisatorische Themen​Ideal für Produkt-, Service- oder Prozessinnovationen mit Nutzerbezug​
StrukturBesteht aus sechs Schritten (z. B. Problem-Finding, Idea-Finding, Solution-Finding)​Fünf Phasen: Empathize, Define, Ideate, Prototype, Test
AnwendungFördert kreative Ideenentwicklung, auch ohne Nutzerbeobachtung​Nutzt Empathie und Beobachtung als Startpunkt der Problemlösung​
ErgebnisFührt zu innovativen Lösungsansätzen für bekannte ProblemeFührt zu nutzerzentrierten, getesteten Prototypen und marktfähigen Lösungen

Fazit

Beide Ansätze ergänzen sich: CPS ist besonders hilfreich, wenn das Problem bereits klar umrissen ist und kreative Ideen zur Lösung gesucht werden, während Design Thinking am besten geeignet ist, wenn das Problem zunächst aus der Sicht der Nutzer erforscht und definiert werden muss. In der Praxis kombinieren viele Organisationen beide Verfahren, um von der strukturierten Kreativität des CPS und der Empathieorientierung des Design Thinking zu profitieren.​